Norwegen - ein Abschied auf Zeit
Nun sitze ich hier, genau ein Jahr später. Der Rückblick ist bittersweet, so viele Emotionen die geweckt werden und durch meine Venen fließen wie glüende Lava. Auch ein Jahr später, hat Norwegen mein Herz fest im Griff und ich muss gestehen, die erste Liebe zur Natur die ich im Harz fand, glimmert nur noch schwach vor sich hin während die Lofoten wie ein Blitz eingeschlagen mein Inneres zum beben bringen und mich nicht mehr loslassen. Diesen letzten Beitrag widme ich der Vergangenheits-Angi und dem Vergangenheits-Jonas die mir diese Erinnerungen ermöglichten und die eine unvergessliche Reise in meine Seele gebrannt haben.
14.11.22
Mit glitzernden Augen fuhren wir die weiten leeren Straßen entlang. Die Sonne, die kaum noch über den Horizont blinzelte, malte die kantigen Berge in weiche Orangetöne. Sanfter Nebel, schmeichelte die Kurven der Landschaft. Wir sprachen wenig, verinnerlichten die Farben, die Formen und das Gefühl dieses Landes. Wir waren bereit, wieder Zuhause zu sein, aber waren wir auch bereit, diesen Traum gehen zu lassen? Waren wir bereit, das bunte Moos, die kargen Bäume, die gewaltigen Berge gegen graue Hauswände, sterbende Grünflächen und lautes Straßengeschehen auszutauschen?
Wir versanken in der Schönheit des Tages und ließen uns treiben, ließen uns von dem Verlauf der Fahrbahn in ein seeliges und verträumtes Stadium der Entspannung schaukeln.
Gegen 11 Uhr erreichten wir Lødingen und füllten dort auf dem Campingplatz unser Wasser nach, bevor wir gegen 11:45 Uhr in der Schlange zur Fähre standen. Nun war es wirklich ernst, wir würden wieder zurück auf’s Festland fahren, immer weiter in den Süden, nach Hause. Unsere erste Übernachtungsstation sollte der Arctic Circle werden, die Tour die wir also bei der Hinreise in 2 Tagen gemacht hatten, würden wir nun in nur einem Tag erledigen. Es war also wichtig, dass der Ablauf wirklich gut geplant war. Nach ca. 1 Std Überfahrt, legten wir im dunkelnden Bognes an und setzten unsere Reise fort. Von Bognes zum Arctic Circle Center waren es noch knapp 260km.
Gegen 17:30 Uhr erreichten wir das Arctic Circle Center. Es hatte hier bereits ein wenig geschneit und der Parkplatz war vollständig überfrostet. Doch der Bulli rollte sicher über die Eisflächen und lies sich schnell wieder zu unserem Nachtlager umfunktionieren. Die erste Nacht zurück im Camper. Und dann auch noch bei -11 Grad. Es wäre untertrieben zu sagen, wir hätten nicht ein wenig Sorge gehabt, dass der Wagen die Wärme im Inneren nicht aufrecht erhalten könnte… Wir kochten uns ein fixes Abendessen und lieferten uns noch eine lustige Rutschpartie beim letzten Spaziergang mit Atlas bevor wir sehr früh (ca.21h) schon mummelig einschliefen und uns die Kraft für die nächsten Tage Rückfahrt ansammelten.
15.11.22
Kurz nach sieben erwachten wir - kuschelig warm - mit einem winterlichen Ausblick, den man sich nur erträumen konnte und machten uns flott für unsere Abreise fertig. Noch schnell die Latrine aufgesucht und die schönen gefrosteten Ebenen und Pflanzen geknipst…
…und dann, verabschiedete sich Norwegens Natur auf eine weitere unfassbare Weise…
Zum ersten Mal in meinem Leben, war ich einem freien Fuchs so nah. Das Bild knipste ich aus dem Autofenster, dabei ignorierte ich völlig, dass ich mitten auf der Staße stand. Da es so früh war, fuhren aber eh kaum Autos, also konnte ich diesen Moment für die Ewigkeit festhalten.
Jeden Abend, oder auch während der Fahrt war es unsere Aufgabe neue Schlafplätze auszumachen. So hatten wir mehrere Plätze für den Tag in petto, je nachdem wie weit wir kommen würden und wie lange wir fahren wollten. Und jeden einzelnen ließen wir hinter uns…
Nach knapp 560km und über 10 Stunden Fahrt (mit Pausen) durch nebelige Berge und Wälder erreichten wir den Baklidammen in Trondheim. Und schon wie in der 3. Nacht der Hinfahrt, fühlten wir uns hier sehr wohl und konnten den Stausee Abends nochmal umrunden.
Wir waren überrascht von unserer Ausdauer! Die Fahrt war zwar extrem anstrengend, aber die Aussicht so schnell wieder Zuhause sein zu können sorgte für die nötige Motivation. Also ging es auch hier wieder zeitig ins Bett, denn schon am nächsten Tag sollten wir uns wieder in Schweden befinden…
16.11.22
Breits um 4 Uhr erwachten wir von alleine. Entweder war es die Aufregung schon so nah an Zuhause zu sein, oder es war die unbequeme Schlafsituation die aus irgendeinem Grund immer schlimmer wurde. Wir fuhren gegen 6 Uhr los, Richtung Hjerkinn. Es war ein Segen, dass wir so früh schon unterwegs waren, so konnten wir nämlich noch eine längere Wanderung beim Naturschutzgebiet einplanen. Eigentlich wollten wir dort auch schlafen und dann am nächsten Tag dort wandern, aber wir waren einfach zu schnell.
Den Wind im Rücken düsten wir der Sonne entgegen. Es wird niemanden wundern, dass in regelmäßigen Abständen “Heeeeyyy ab in den Süüüden, der Sonne hinterher - Eh Yo was geht - der Sonne hinterher - Eh Yo was geht” angestimmt wurde….
Wir wanderten 2 Stunden im Hochland des Hjerkinn Naturschutzgebietes und waren mal wieder erstaunt über die Natur. Waren wir nicht vor ein paar Tagen schoneinmal hier? Wie konnte es sein, dass es wirklich die selbe Landschaft war? Nun gedeckt in weißen Mänteln, glitzert die Sonne über die frostigen Spitzen. Atemberaubend. Und was noch verrückter war, aus gaaaanz weiter Entfernung konnten wir die Moschusochsen sehen. Im oberen Bild sieht man direkt in der Mitte eine kleine Ansammlung an schwarzen Formen. Jap. Das sind sie. Die Riesen des norwegischen Hochlandes. Winzige Punkte in der Ferne.
Die Abwechslung vom stundenlangen Autofahren gab uns einen frischen Energiekick und wir passierten erneut all unsere geplanten Schlafplätze und erreichten nach tatsächlichen, aktiven 10 Stunden Fahrt einen kleinen Hafen hinter Göteborg, Schweden. An diesem Tag legten wir ca. 850km zurück und unsere Erschöpfung steckte uns in den Knochen. Um 6 Uhr los gefahren und erst um 21:30 am Schlafplatz angekommen. Was ein Trip.
Wir fielen in unseren Schlafsack und holten uns die letzte Energie für unsere Heimreise.
17.11.22
Noch vor 7 Uhr waren wir wieder wach und machten uns ein entspanntes Frühstück, bevor wir im kleinen Hafen spazierten. Der letzte schöne Ort, bevor wir zurück Zuhause sein würden. Und noch soviel Strecke vor uns! Aber wir sammelten all unsere Energie zusammen - Foccaccia und anderes Gebäck aus einer veganen schwedischen Bäckerei halfen dabei ganz enorm - und ohne viele Umwege oder Pausen fuhren wir durch.
„Zuhause ist dort, wo wir als Familie sind.“
Gegen 12:30 passierten wir die dänische Grenze. Und nur wenige Stunden später die Deutsche.
Und um 19:00 waren wir Zuhause. 780km später.
Und wie ein Knall. Ein Schuss. Ein Unfall. Eine Welle - überkam uns die Realität.
Warum sind wir so schnell hierher zurück gefahren?
Wir kamen nicht mal auf direktem Weg durch Hamburg durch, weil ein Unfall und eine Baustelle so ziemlich das ganze Zentrum lahm legten - kennt man. Wir mussten einen Umweg fahren. Steckten im Stau. Die anderen in ihren Autos hupten ungeduldig und versuchten sich weiter zu drängeln.
Und dann die eigenen 4 Wände.
Zuhause fühlte sich fremd an. Die kleinen, engen Räume, die laute Hauptstraße die direkt an dem Mehrfamilienhaus verlief. 180° das Gegenteil der norwegischen Natur.
Die Balkontür wurde von unserer Pflanzen-Beauftragten aufgelassen. Über 24 Stunden stand sie offen. Die Wohnung eiskalt und die Heizungen kurz vor der Explosion im versuch die Kälte aus den Zimmern zu verdrängen. Ein Teil meiner Pflanzen am ertrinken in viel zu viel Wasser. Und die tränenreiche Erkenntniss, dass dies ein Leben ist zu dem wir nicht zurückkehren wollten.
Wir wollten die Freiheit, die Weite und die Ruhe aus Norwegen mitnehmen. Sie in unseren Alltag integrieren. Nie mehr los lassen. Wir waren Zuhause - aber es war nichtmehr das Richtige für uns. Irgendwo auf den weiten Straßen, zwischen den Bergen und Bäumen, zwischen Meer und Wind, irgendwo da haben wir uns verändert - oder haben wir es nur endlich gesehen?…
Ich kann es kaum glauben. Nun ist meine Berichterstattung offiziell zu Ende. Ich wünschte ich könnte noch weiter über die Schönheit Norwegens schwärmen. Noch weiter in den Erinnerungen schwelgen. Aber alles hat irgendwann ein Ende. Und irgendwie ist das auch gut so. Denn so schätzen wir die Momente, denn wir wissen sie bleiben nicht für immer…
Tipps & Hinweise
Erwartet eine Menge Kilometer!
Wir sind über 6000km gefahren. Tatsächlich nicht nur die Strecke hin und zurück, nein auch die Fahrten auf den Lofoten von einem Ort zum Nächsten haben einiges zu dieser Summe beigetragen. Dies sollte man sich wirklich bewusst sein, je nachdem ob man mit dem eigenen Auto fährt oder eins mietet ist das eine wichtige Info.Reisekostenpuffer!
Wir haben über 4000€ für alles ausgegeben. Das Auto, der Sprit, das Essen & Einkaufen, die Unterkunft, die Maut und die Brückenkosten. Dabei waren wir schon wirklich sparsam, denn eingekauft haben wir nur wenig, vorallem in Norwegen direkt. Es ist leicht zu unterschätzen, wie teuer die Produkte dort sind, im Gegensatz zu Deutschland. Als wir da waren, konnte man eigentlich überall mit mindestens 3x den Preis rechnen, als hier. Eine Dose Kichererbsen kostete also nicht 80ct sondern eher um die 3€. Alkoholische Getränke werden in Norwegen von der Regierung reguliert. Harter Alkohol oder auch Wein gibt es es ausschließlich in speziellen Geschäften. Ein 4er Pack Apple Cider kostete uns damals 15€. Plant genug Geld ein und legt da nochmal ein Puffer drauf, um wirklich sicher zu gehen.Das Jedermannsrecht ist nicht für Jedermann!
Immer wieder habe ich in der Vorbereitung zu dieser Reise die unterschiedlichsten Erfahrungsberichte und Blogeinträge durchforstet und immer wieder ließen einen die Schwärmerein von dem Jedermannsrecht von einer unproblematischen Schlafplatzsuche träumen. Aber weit gefehlt ist dann die Realität. Wir mussten, gerade zu Anfang, immer wieder weiter fahren und uns nach einem anderen Platz umsehen, weil die ausgesuchten Plätze eben nicht einfach frei zur Verfügung standen. Entweder man findet deutliche “Camping Verboten” Schilder oder es werden selbstgebaute Hinweise der Anwohner:innen aufgestellt. Zumindest ist es viel so in Stadtnähe, sobald man weiter außerhalb ist, findet man häufiger mal einen kargen Parkplatz an dem man sein/ihr Nachtlager aufschlagen kann. Aber nichts von diesen “verträumten Paradies” Standorten mit perfektem Blick auf ein Gewässer oder einer ungestörten Sicht auf einen Bergriesen. Das ist Social Media Scam und sollten die Leute, die soetwas posten, tatsächlich an solchen Stellen gecampt haben, so haben sie definitiv dafür gesorgt, dass niemand mehr nach ihnen dort nächtigen könnte oder sie schon vorher illegal dort parkten. Das Problem ist: das Jedermannsrecht bezieht sich eigentlich nur auf Leute mit Zelt die zu Fuß oder vielleicht mit einem Fahrrad unterwegs sind. Keine Luxuscamper und Insta-fluencer. Durch viele Leute die dieses Recht missbraucht haben, in dem sie Anwohner:innen in ihrem Zuhause bedrängten, Müll und Dreck an den Schlafplätzen hinterließen oder gar die Natur schädigten, sind viele Menschen in Norwegen sehr unfreundlich, wenn es darum geht irgendwo mit dem Camper zu stehen. Zu Recht! Also solltet ihr euch vorher im Klaren darüber sein, wo genau ihr schlafen möchtet und idealerweise offizielle Parkplätze aufsuchen, die sind nämlich meist gut für eine Nacht zu becampen.
Veganer:innen Achtung!
Norwegen ist ein Land des Fischfang und der Wildjagd, tatsächlich gibt es so gut wie keine veganen Produkte in den Geschäften. Man kann mal Glück haben, dass etwas “zufällig” vegan ist, aber ansonsten sucht man dort nach Tofu oder vielleicht mal eine vegane Wurst vergebens. Wir haben uns all diese Produkte aus Deutschland mitgenommen. Vor Abreise waren wir noch etwas unsicher, ob es nicht übertrieben war, wie viele Lebensmittel wir mitnehmen - aber nein! Es war absolut notwendig und bis auf ein paar Liter Oatly und ein zwei Aufstriche haben wir auch fast alles aufgebraucht in den 3 Wochen. Überhaupt ist die Wahl des Essens mager und vollgestopft mit Zucker und E-Paragraphen. Gemüse und Obst kann man sich kaum leisten also bleibt eigentlich keine andere Wahl, als selber etwas mitzunehmen.Norwegische Wanderrouten!
Die Wanderungen in Norwegen weichen sehr von der Norm hier in Deutschland ab. Die Wege sind oft direkt, dafür aber unmenschlich steil mit keinem vorgegeben Weg und ohne Markierungen. Meist nur am Anfang einer Strecke steht ein Schild, mehr aber auch nicht. Gerade in den kälteren Monaten sollte man das beachten. Und wenn dann im tiefen Winter Schnee liegt und die Sonne garnicht mehr über den Horizont kommt, kann man eh nur noch Schlittenfahren und Tee trinken.Norwegische Staßen!
Wir waren positiv überrascht von dem gut ausgebauten Straßensystem. Die E6, auf der wir fast nur gefahren sind, war besser als so fast jede Straße hier in und um Hamburg. Glatt, eben und breit. Und mitte November, als der erste Schnee fiel, wurden die Straßen sofort geräumt. Wir hatten absolut keine Probleme - trotz der 10 Leute die uns vorher gewarnt hatten. Schneeketten haben wir weder gebraucht, noch wären sie erlaubt gewesen. Die norwegischen Winterreifen haben eingebaute Spikes. Aber den meisten dort ist auch bewusst, wenn der Schnee 2 Meter hoch ist, und du lebst nicht an einer der Hauptadern des Landes, dann bleibst du halt Zuhause.
Aurora Borealis!
Aurora ist eine Lady die auf sich warten lässt. Sie ist nie garantiert und wenn sie erscheint, dann dramatisch und urplötzlich. Genauso schnell verschwindet sie auch wieder. Je tiefer der Winter, desto besser wohl die Chancen auf die beliebten Polarlichter. Und auch je nördlicher, desto wahrscheinlicher. Unsere Sonnenstürme waren wohl nur leicht, denn die Aurora war oft nur angedeutet im Himmel zu sehen und kam erst durch Langzeitbelichtungen mit der Kamera wirklich zum Vorschein. Nichtsdestotrotz waren auch diese tanzenden Schimmer unfassbare Sichtungen, die mich zum weinen brachten. Wer diese Lichter sieht und nicht an Magie glaubt, der hat ein Herz aus Stein. Es ist etwas, dass ich jedem Menschen wünsche mal erlebt zu haben.
Nehmt euch Zeit!
Eines ist mir auf dieser Reise besonders bewusst geworden; wie wir Menschen dazu neigen von Ort zu Ort, von Erlebnis zu Erlebnis zu hetzen und den Moment garnicht richtig wahrnehmen. Wir haben bewusst bei der Hin- und Rücktour auf größere Wanderungen oder Sightseeing verzichtet, denn wir wussten, es würden zu viele Eindrück sein. Die Ruhe und Entschleunigung die wir im Nusfjord erleben durften, hat uns eine völlig neue Seite unseres Daseins eröffnet. Es hat uns inspiriert, die kleine Wohnung in der Stadt zu verlassen und die Nähe zur Natur zu suchen. Ein neues Zuhause, mit mehr Raum, mehr Ruhe, mehr Weitblick. Diese Reise hat uns gezeigt, dass das Leben wahrlich schön ist, wenn man sich die Zeit nimmt, es sich auch wirklich anzusehen…
Und damit verabschiede ich mich.
Danke, für dein/euer Interesse an unserem kleinen Abenteuer.
Das nächste wartet schon darauf, mit euch geteilt zu werden.
Bis dahin ♥
Angi