Dorfleben
Ein Jahr ist vergangen. 366 Tage leben wir nun schon in unserem neuen Zuhause. Zur feier diesen besonderen Anlasses, blicke ich auf die vergangenen Monate zurück und teile mit euch meine liebsten Erinnerungen.
Im Januar 2023 unterzeichneten wir unseren neuen Mietvertrag. Es war besiegelt. Wir würden aus der Stadt ziehen. Ich würde meine Heimat - in der ich fast 29 Jahre lebte - verlassen. Die Freude war groß, aber gleichzeitig auch die Sorge und Angst vor dem neuen Umfeld. Dem neuen Haus. Den neuen Menschen. Wie würde das Leben auf dem Land wohl sein? Würde dort alles anders werden? Würde ich mich zu einer anderen Person entwickeln?
So viele Fragen schwirrten mir durch den Kopf, soviele Unsicherheiten. Aber ich konnte mich ablenken. Ich begann kurz nach dem Unterschreiben damit, unsere Sachen zu packen, Zeug auszumisten und über Kleinanzeigen vieles los zu werden, was nicht mitkommen sollte.
Eine emotionale Zeit in der ich zum Glück noch teilweise von meiner Therapeutin begleitet wurde. Sie war es auch, die mir riet einen “Countdown” in Form eines Maßbands zu haben, um mit der chaotischen Zeit und meinem fehlenden Alltags-Rhythmus besser klar zu kommen. Ein perfektes Mittel, denn während ich jeden Tag einen weiteren Zentimeter abschnitt, trennte ich mich auch immer mehr von meinem alten Maßband, das mir vor Jahren das Leben schwer machte…
Nun würde ich auch diese Vergangenheit hinter mir lassen. All den Schmerz. All die Male in denen ich mein eigenes Blut vergoss. All die Momente in denen ich nicht mehr existieren wollte. Nun würde alles anders werden. All die Erinnerungen an schlechte Menschen und ihre Handlungen. Ich würde nun alles zurück lassen. Ich war bereit für neue Erinnerungen, für positive Verknüpfungen mit meinem Zuhause. Endlich würde ich aus der Höhle in der ich Krank wurde, heraus treten und in eine heilsame neue Welt schreiten.
Ich war bereit.
Am ersten Tag im neuen Haus, saßen wir nicht still. Bis in die Nacht strichen wir die Flur Wand, putzten und brachten die ersten Dinge mit. Die Aufregung war so groß und überwältigend, dass wir einfach nicht runter kommen konnten. Alles war so neu. So frisch. Die Vögel vor den Fenstern so laut. Die Aussicht so grün. Nachdem wir 7 Jahre auf Häuserwände gestarrt hatten, war es kaum zu glauben, aus den Fenstern so viel Weite zu sehen.
Ich reinigte das Haus energetisch mit Palo Santo. Meditierte in meinem ersten eigenen Zimmer, seit dem ich aus meinem Elternhaus ausgezogen war. Und ich konnte spüren, wie dieses neue Zuhause, uns ein unvergleichliches Heim bieten würde. Wie wir unzählige glückliche Jahre hier verbringen würden. Alles fühlte sich richtig an. Ich fühlte mich angekommen. Und so liefen die ersten Tränen im neuen Haus. Wie Regen würden sie unser neues Leben hier zum erblühen bringen…
Als Einzugsgeschenk bekam ich von Jonas mein erstes “Möbelstück”, eine Girl Power Wandlampe die ich bei der Wäscherrei gesehen hatte. Es rührte mich so, dass ich den Tränen wieder nah kam. Die Glücksgefühle sprudelten über. Doch es war ein wärmendes, erdendes Erlebnis. Ich war einfach dankbar. Dankbar für diesen Mann. Dankbar für dieses Zuhause. Dankbar hier zu sein und zu erleben, wie ich mich zum positiven veränderte.
Eigentlich wollten wir die erste Zeit noch in der alten Wohnung verbringen, aber wir entschieden uns kurzfristig schon ab dem ersten Tag im Haus zu bleiben. Unser Bett bestand aus einer Shiatsu Matte und einer aufblasbaren Luftmatratze. Aber es war egal wie unbequem es sein würde. Wir waren in unserem neuen Zuhause. Wir waren zusammen. Und zusammen sind wir immer Zuhause.
Bevor wir uns zum Schlafen einkuschelten, schrieben wir je 3 Dinge auf, die wir uns für das neue Zuhause wünschten und zogen Orakelkarten, die unseren Aufenthalt in der neuen Umgebung wiederspiegelten. Und mit großen Träumen schliefen wir die erste Nacht in unserem neuen Zuhause.
Wir verbrachten den April damit alles an Kleinkram von der Wohnung ins Haus zu bringen, einen Zaun zu bauen, diverse Möbel über Kleinanzeigen zu ergattern und das Haus in unseres zu verwandeln. Ich kümmerte mich um die Küche, schliff sie ab und strich sie diverse Male. Wir bauten ein Bücherregal für das ich das Eichenholz bearbeitete. Es zogen die Pflanzen nach und nach ein und sogar Ostern feierten wir. Es waren die wohl anstrengendsten Wochen in meinem ganzen Leben. Ich weiß nicht wie oft ich von A nach B gefahren bin. Wie oft wir neue Schrauben kaufen mussten. Wie oft ich einfach nur an der Terrassentür saß und die Vögel beobachtete…
Am 22.04. war dann der große Umzug. Alle Möbel die wir noch in der alten Wohnung hatten waren nun auseinander gebaut und bereit umzuziehen. Zuvor hatten wir alles beschriftet; in welchen Raum sollte das jeweilige Teil hin, oder auch was es für ein Teil war, denn einige Sachen waren ja selbstgebaut. Im Haus waren dann alle Zimmer ebenfalls beschriftet und sogar der Platz an dem die Sachen abgelegt oder hingestellt werden sollten war markiert. Und so konnten wir innerhalb von ca. 2 Stunden alles einpacken, transportieren und ausräumen. Für unsere fleißigen Helferchen gab es veganes Gulasch auf der Terrasse und danach blieben sogar noch ein paar um uns mit dem Aufbau zu helfen.
Von da an ging es nur noch darum die Wohnung Übergabe fertig zu machen. Die letzten Sachen verkauften und verschenkten wir. Strichen nochmal 50% der Wände und reinigten alles bis es glänzte. Das wäre eigentlich garnicht nötig gewesen, aber mir war es wichtig mein altes Zuhause liebevoll zu verlassen. Es war ein Abschied, bei dem ich mich bedankte für die lehrreichen Jahre und die Erinnerungen die mich für immer prägen werden. Für den Schutz die diese 4 Wände uns boten.
Am 27.04. verabschiedeten wir uns von unserem ersten Zuhause. Zuhause 1.0. Am nächsten Tag würden wir die Schlüsselübergabe machen, doch bevor es dazu kam, stellten wir unseren ersten Abend in der Wohnung nach. Mit einem Bauhaus Karton und einem Spiegel als Tisch, aßen wir ein letztes Ma(h)l. Wir schrieben wieder je 3 Dinge auf, doch diesmal was wir zurück lassen würden und wofür wir dankbar waren. Wie schon die ersten 6 Zettelchen, würden wir diese in ein Feuer werfen und ihre Botschaft loslassen. Ich vergoss die letzten Tränen in diesen Räumlichkeiten. Ein Abschied für die Ewigkeit. Die Realisierung, dass die Komfort-Zone nun verlassen wird.
In diesem einen Jahr haben wir das Grundstück aufgeräumt und gepflegt, haben unsere Inneneinrichtung total verändert, ein Sofa gekauft und uns einen neuen Fernseher gegönnt. Wir haben unzählige Vögel und andere Wildtiere gesehen. Haben mit Freunden und Familie unser neues Zuhause gefeiert. Haben unsere Nachbarschaft kennengelernt und sogar befreundet.
In diesem einen Jahr haben wir uns verändert. Wir sind ruhiger. Selten gestresst. Meistens zu spät zu Verabredungen oder Familienfesten. Wir leben langsamer. Nehmen bewusster wahr. Sitzen oft einfach nur im Garten und beobachten wie die Welt sich dreht. Wir gehen lange Spazierrunden mit Atlas und spielen fast täglich mit ihm im Garten. Wir schätzen die Ruhe. Wir schätzen die lauten Vögel. Wir genießen unsere Zweisamkeit. Wir genießen den positiven und zwanglosen Kontakt mit unseren Nachbarn. Wir genießen das Leben in vollen Zügen.
Und bin ich nun eine andere Person? Hat sich mein Leben verändert?
Ja und Nein.
Ich bin immer noch ich. Ich hatte eine depressive Phase nach den ersten paar Monaten. Aber ich bin in keine ungesunden Verhaltensweisen reingerutscht, die für mich sonst üblich sind. Ich war zu Anfang sehr ängstlich. Ich hatte Angst plötzlich laute Geräusche zu hören, weil die Stille hier so laut war und im Gegensatz zur Hauptstraße vorher, kaum Autos vorbei fuhren. Aber auch das legte sich irgendwann. Überraschender Weise vermisse ich die Stadt Null und möchte auch nicht wieder zurück. Ich bin seltener angespannt und ich kann mittlerweile viel besser auf meine eigenen Bedürfnisse achten und lasse mir nichts mehr so leicht gefallen. Man könnte also sagen, ich habe mich verändert, und ein Stück weit - ein gutes Stück - zum Besseren.
Aber natürlich sind manche Gewohnheiten und Gedankenmuster schwer zu ändern. Es bleibt also noch Platz nach oben und ich bin optimistisch, dass sich da noch einiges tun wird. Denn egal was hier bisher vielleicht schon an schwierigen Situationen für meine mentale Gesundheit aufkam, ich kann sie hier deutlich besser händeln Aufgrund der wunderschönen und ruhigen Umgebung. Und allein das ist schon viel wert.
Achja, und meine Haare habe ich auch abgeschnitten.
Ich bin bereit für ganz viele weitere schöne Erlebnisse unter diesem Dach und bin einfach nur dankbar, so ein Leben führen zu dürfen.
Dies war ein kleines Gedenken an das vergangene Jahr und recht spontan - konfuse Sätze sind also zu erwarten :)
Danke für’s Lesen!
Angi ♥
P.S.: Happy Legalization Day ♥