Norwegen - Wenn Träume in Erfüllung gehen


“Ich will Polarlichter sehen! Endlich Norwegen erleben und das garnicht so ferne Land, in dem angeblich meine Vorfahren lebten, erkunden.” - vor einigen Jahren, noch vor unserer Hochzeit Juli 2019, hegte ich bereits lange den Wunsch Norwegen zu bereisen. Kosten, kein Führerschein und Zeit waren damals die größten Hürden - und trotzdem planten wir eine Reise. Fein säuberlich trugen wir alle möglichen Infos in einem Dokument zusammen. Was müsste man bei der Einreise mit Hund bedenken, welche Möglichkeiten gäbe es bzgl. Unterkunft und Automietung bzw. zu dem Zeitpunkt noch öffentliche Verkehrsmittel. Wir stellten einen groben Kostenplan auf und waren uns schnell sicher, dass dies keine Reise ist, die wir mal eben nach unserer Hochzeit machen könnten. Der Traum verpuffte in Sternenstaub und schlummerte die nächsten Jahre im Hinterkopf…
Bis jetzt, genauer gesagt, bis zum 07.08.22 als wir ein neues Docs-Dokument erstellten und unsere Traumreise begannen zu planen…


Wo fängt man eigentlich an, wenn man einen so umfangreichen Roadtrip plant? Wir starteten damit Dokumentationen über Norwegen zu schauen uns “coole” Spots zu notieren und eine Route entlang dieser Highlights zu planen. Wir realisierten was für ein krasser Aufwand das darstellen würde, und wie schnell wir überreizt wären von all den tollen Orten und Sehenswürdigkeiten…
Wir erinnerten uns an die anstrengende Deutschlandreise, bei der wir uns gewünscht hätten länger mal an einem Ort zu bleiben als ständig weiter zu fahren und immer wieder alles auf und ab zu bauen. Wir überlegten und schätzten immer wieder ab, was wir nun wollten - dabei hatten wir gerade erst eine “Wunsch- und Traumliste” angelegt, bei der wir unsere Ziele zusammengefasst auf einem großen A3 Blatt, nach Wichtigkeit, notiert hatten. Und da stand ganz klar ein Punkt weit oben; Polarlichter sehen. Die Lösung lag also auf der Hand; statt einen großen Roadtrip zu machen, würden wir “direkt” auf die Lofoten fahren und dort für eine Weile bleiben und hoffentlich die Aurora Borealis bestaunen können.

Ich werde in einem seperaten Blogeintrag auf die ganze Logistik und Planung genauer eingehen, denn meiner Ansicht nach sind die meisten Infos die man im Internet findet nicht sonderlich akkurat und wir erlebten das Land oft ganz anders als es auf anderen Blogs oder Reiseführern beschrieben wurde. Doch bevor ich loslege - Leute denkt an euren Perso! Es hätte nicht dämlicher laufen können, aber natürlich fiel mir 1 Woche vor Abreise auf, dass mein Personalausweis tatsächlich schon seit April ‘22 abgelaufen war… Die Behörden schicken einem immer Post wenn sie Geld von einem wollen, aber eine einfache Erinnerung, dass der Perso abläuft, dass geht nicht…

2.489 km - das ist erstmal eine Ansage. Wir sind zwar mittlerweile mit unserer Probezeit durch, und wir fahren auch regelmäßig mit diversen Leihwagen, aber so eine Strecke sind wir noch nie gefahren. Die Umsetzung musste also gut geplant sein. Dafür mieteten wir einen VW Bulli T6.1 namens Kaspar bei Freeway Camper . Das ganze war herrlich unkompliziert - nachdem man den richtigen Anbieter gefunden hatte - und der Wagen machte einen soliden Eindruck. Eine kleine Küchenzeile, Standheizung und 2 Schlafmöglichkeiten. Ein größerer Wagen hätte vielleicht mehr Raum geboten und wir hätten nicht immer wie der Glöckner von Notre Dame unter dem flachen Dach gebuckelt, aber da wir ja auch ein AirBnb auf den Lofoten hatten, machte etwas größeres keinen Sinn.


30.10.22

Gestern hatten wir Kaspar abgeholt und bereits beladen. Wir hatten Essen für mindestens 4 Personen gepackt, Kleidung die man gut in Schichten tragen konnte und “Entertainment” in Form von Leihbüchern, Gesellschaftsspielen und unseren Laptops. Jeder freie Raum war belegt und Kaspar fuhr sich wie ein träger Laster. Ein Fahrgefühl an das wir uns aber schnell gewöhnen konnten. Wir verbrachten den Sonntagmorgen ganz entspannt und machten uns dann gegen 14h auf den Weg zu einem nahegelegenen Selbstbedienungsautomaten, bei dem wir unseren Lieblingskaffee kauften. Noch schnell ein schönes Foto von uns und dem Bulli - also dem Wagen - und los ging es, immer nördlicher die A7 hoch.

Atlas gewöhnte sich schnell an die gemütliche Rückbank und schlief während wir unserer Roadtrip-Playlist lauschten und vor Vorfreude fast platzten. Wir waren so motiviert, dass wir nur eine Pause machten und bereits 3,5 Stunden später die dänische Grenze überfuhren. Das Fähren fahren fiel für uns leider flach, da Hunde auf Deck nicht erlaubt sind und wir Atlas im Auto hätten lassen müssen - für ca. 4~5 Stunden, ohne bei ihm sein zu dürfen. Dadurch ergab sich zwar ein ziemlicher Umweg, aber wir konnten uns sicher sein, dass es Atlas gut geht. Außerdem konnten wir so deutlich mehr von der Landschaft entdecken.

In Dänemark tauschten wir den Platz. Mittlerweile war es dunkel und langsam begann die Erschöpfung einzusetzen, aber die Motivation war immer noch groß unser erstes Ziel zu erreichen; Malmö, Schweden.

Wir passierten die Storebælt Brücke und die Öresundbrücke im dichten Nebel gegen 21 Uhr und hielten danach direkt an einer Tankstelle in Malmö. Nach kurzem Reifendruck-Check und festlegen eines Schlafplatzes fuhren wir noch etwas weiter bis wir in dem kleinen Ort Habo Ljung, nördlich von Malmö, auf unseren ersten Rastplatz rollten. Der Parkplatz lag direkt am Meer und beherbergte eine öffentliche, erstaunlich saubere Toilette und eine Außendusche. Das Gebiet war Heimat für viele Vogelarten die dementsprechend laut vor sich her schnatterten. Gepiepe und Geflatter umgab uns, plus eine undurchdringliche Dunkelheit. Trotz Straßenlaternen, war die Umgebung in tiefes Schwarz getaucht und es würde eine Überraschung am Morgen werden, wie unsere Umgebung tatsächlich aussah. Wir kochten unser erstes Abendessen und bereiteten uns danach für die Nacht vor. Wir entschlossen im unteren Teil des Bulli’s zu schlafen, aber das Dach trotzdem auszufahren, damit wir nicht so gekrümmt stehen müssten - das war das 1. und letzte Mal, dass wir es über Nacht offen lassen würden, denn die Kälte die durch die dünnen “Zeltwände” hineindrang war kaum auszuhalten…

Die Aufregung des Tages lies uns schnell, jedoch unruhig einschlafen.


31.10.22

Gegen 7 Uhr wachten wir auf. Die Nacht war unruhig und kalt. Der wenige Platz und die fallende Kälte vom offenen Dach machten es echt zu einem unbequemen Erlebnis und wir wachten zerknittert und nicht sonderlich erholt auf. Der Laune schadete das jedoch nicht, Jonas ging sogar in die Außendusche der Anlage und nahm eine erfrischende Dusche. Ich machte einen kleinen Spaziergang an der Küste mit Atlas und freute mich über die kühleren Temperaturen als in Hamburg. Jonas bereitete ein Frühstück auf einem der Tische zu und wir saßen in Stille während wir die Vögel beobachteten und genüsslich unser Essen verspeisten.

Immer wieder kam der Gedanke auf, dass wir es tatsächlich geschafft hatten. Ich hatte soviele Zweifel, dass wir wirklich los fahren würden und der Traum von Norwegen wieder verpuffen würde… aber nein, wir waren auf unserer Route, bereit den weiteren Weg zu bestreiten und endlich Norwegen zu erreichen.

Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg Richtung Oslo - unser nächstes Ziel. Endlich Norwegen!

Wir kauften noch ein paar Kleinigkeiten ein, und mussten feststellen, dass die Auswahl für Veganer:innen doch eher zu wünschen übrig lies. Was sich jedoch als köstlicher Glücksgriff entpuppte, war eine “Kaviar” Creme aus einer Alutube namens “Vegiar”.
Sehr empfehlenswert!

Wir fuhren immer weiter in den Nordwesten und erreichten bald die schwedisch/norwegische Grenze. Vor der Abfahrt hatten wir uns über das Reisen mit Hund informiert und erwarteten eine Zollstelle, an der wir Atlas anmelden könnten. Wir irrten in einer LKW Zollstation umher, und Niemand war da um unser Einfuhrgut zu überprüfen. Ups.
Die Fahrt ging also weiter und nach der kurzen Verwirrung freuten wir uns, endlich Norwegen erreicht zu haben.

Kaum in Norwegen, machten wir eine erste Entdeckung; von der Autobahn erspähten wir 2 Elche, die einfach so auf einem Feld standen, als wären sie nichts weiter als Rehe. Zwei Giganten. Zwei riesige, an Urzeiten erinnernde, Wesen, die genüsslich weideten und sich nichts dabei dachten. Wir waren absolut verzaubert und konnten es kaum glauben - Elche gibt es tatsächlich außerhalb von Gehegen und Canada?! Unglaublich! Ein Foto konnten wir leider nicht machen, aber die Erinnerung bleibt uns wohl immer erhalten…

Norwegen bannte uns schnell in seine Schönheit. Obwohl wir noch ganz im Süden, und quasi am Anfang des Landes waren, war es schon jetzt so atemberaubend wechselhaft, dass wir schnell das Gefühl bekamen mehr zu erleben als wir erwartet hatten.

Wir fuhren 666km ~nice~ zum nächsten Schlafplatz. Leider war der eigentlich geplante Platz, den ich vor der Reise markiert hatte, mit einem “No Camping” Schild abgeschottet und so mussten wir nach einem anderen Platz suchen. Dafür fuhr uns Jonas schon wieder durch dichten Nebel und kurvige Straßen, tief in einen Wald hinein. Der Platz am See Mjøsa war ebenfalls gesperrt, doch glücklicherweise gab es einen kleineren Parkplatz 200m vor dem See an dem wir unser Nachtlager aufschlagen konnten. Wir bereiteten uns wieder ein leckeres Essen zu und genossen die Ruhe und absolute Stille dieses Ortes. Mitten im Wald herrscht natürlich kein Verkehr und beleuchtet war die Schotterstraße auch nicht. Schweden war zwar dunkel, aber hier konnte man ohne Taschenlampe nichtmal mehr die Hand vor Augen sehen. Einzig die Sterne am Himmel funkelten wie Diamanten und versüßten uns die Nacht. Ein perfekter Ort für ein kleines Samhain Ritual - immerhin war ja Halloween! Nachdem wir uns bettfertig gemacht hatten kuschelten wir uns dicht in unseren großen Schlafsack und pennten schnell, tief und fest ein…


01.11.22

Kurz nachdem die Sonne aufging, waren wir bereits dabei uns fertig zu machen. Die Nacht war diesmal schön warm und ruhig, da wir das Dach unten gelassen hatten. Der Blick nach draußen war mal wieder eine Überraschung; ein stiller Waldweg gesäumt mit saftigen Nadelbäumen die zu einem feucht, kühlen Klima beitrugen und den Ort magisch umrahmten.
Wir machten einen kleinen Spaziergang zum Mjøsa und waren begeistert von den Farben und der Ruhe die dieser See ausstrahlte. Wir waren echt in Norwegen - die Realisierung sollte noch ein paar Tage dauern, bis dahin waren wir zunehmends überwältigt von den ganzen Eindrücken und der gewaltigen Natur…

Die Farben Norwegen’s begannen bereits hier uns zu beeindrucken. Das saftige Grün, die warmen Gelb- und Rottöne. Rosa Wolken, die sich am Horizont an den Berggipfeln schmiegten und klares Blau, wie Eis und pures Leben. Norwegen, du Schönheit…

Nachdem Frühstück - bei dem ich 2 Bröd, mit dem Vegiar verdrückte - fuhren wir Richtung Hjerkinn, ein kleiner Ort im Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark. Zwischendurch machten wir Halt an einem Campingplatz. Leider konnten wir unseren Wassertank dort nicht auffüllen, also machten wir nur einen kleinen Spaziergang an dem nebelverhangen Seeufer, bevor wir uns wieder auf den Weg machten… den Wassertank konnten wir zum Glück bei einer Tankstelle umsonst auffüllen.

Wir fuhren über Brücken und durch Tunnel, nach jeder Überquerung oder Durchfahrt umgab uns eine neue, atemberaubende Natur. Berge, Bäume und Nebel die das Land formten und es wie ein verzaubertes Filmsetting aussahen lassen. Jede Kurve brachte uns neue, überwältigende Eindrücke…

Ungefähr 3,5 Stunden entfernt vom Mjøsa See erreichten wir dieses magische Hochland. Mit einer stetigen Steigung, erreicht man irgendwann ein Plateau von ca. 1000 Höhenmetern, umgeben von noch höheren Bergen und karger Landschaft. Ein Ort der es uns wirklich sehr angetan hat, da wir gerade als Hamburg-Kinder eher Flachland kennen. Die gedimmten Farben schmeichelten den weichen Bergzügen, und ein kalter Wind schob die dichte Wolkendecke vor sich her. In nur 2 Tagen hatten wir einen Ort erreicht der mich an vielen Stellen, an die schottischen Highlands erinnerte. Eine Euphorie stieg in mir auf und wenn ich nicht so glücklich gewesen wäre, hätte ich weinen können. Endlich würde ich so eine unvergessliche Landschaft mit meinem Seelenverwandten erleben. Mit meiner kleinen Familie…

Wir bestiegen also am 1.11.22 einen 1111m hohen Berg, der uns ein unglaubliches Panorama bot. So beeindruckend die Weite auch war, so mussten wir uns auch schon wieder nach ca. 1 Stunde wieder auf den Weg machen. Weiter in den Norden des Landes: Trondheim

In Trondheim schlugen wir unser Lager am Baklidammen auf. Einem kleinen Stausee westlich vom Stadtzentrum. Diesmal war es nicht so ruhig und abgelegen. Bis ca. 0:00 Uhr waren sogar die Straßenlaternen an und bis 22:00 liefen die fitten Norweger:innen ihre Joggingrunden um den See.
Jonas spazierte mit Atlas während ich uns Spaghetti mit Tomatensauce und Sojaschnetzel machte.

Der Alltag im Bulli war anders als Zuhause. Hier musste man sich abwechseln mit den Dingen, die zu tun waren. Erst kochen, dabei möglichst alles bereits zur Hand haben, damit man nicht unter den Ausklapptisch blind in den Schränken rumfummeln musste. Danach abwaschen. Das Einzige was man halbwegs gleichzeitig machen konnte - eine Person wäscht, die Andere trocknet ab. Dann alles wegräumen, denn bevor nicht alles verstaut war konnte man das Bett nicht aufbauen. So war eine Routine die man Zuhause in kürzester Zeit abfertigen konnte, zu einer abendfüllenden Aktion geworden. Und dann das Haarewaschen über der winzigen Spüle, mit ihrem eiskalten Wasser… brrr!


02.11.22
Guten Morgen schönes Norwegen, danke für diese entspannte und ruhige Nacht.

Mittlerweile waren wir schon eingespielt und daran gewöhnt vor bzw. während des Sonnenaufgangs wach zu werden und uns für den Tag fertig zu machen. An diesem Morgen gab es leckere Pancakes zum Frühstück und den obligatorischen Kaffee zur Starthilfe.
Weil wir so früh wach waren, entschieden wir uns für einen Spaziergang um den Stausee und konnten zum ersten mal wirklich durchatmen und fühlten uns am richtigen Ort.

Der Sonnenaufgang ließ die goldenen Spitzen der Bäume aufglühen, wie Laternen leuchteten sie über ihren dunkelgrünen Geschwistern. Die klirrende Kälte räumte den Kopf auf und schenkte ihm Klarheit und Ruhe. Wege verziert mit sich schlängelnden Wurzeln, tief hängenden Zweigen und den schimmernden, ersten Sonnenstrahlen lagen vor uns, bereit begangen und erlebt zu werden…

Jonas hatte die Idee, querfeldein über kleinere Schleichwege zu gehen und so die Umgebung noch ein wenig intesiver wahr zu nehmen. Und ich weiß nicht, ob ihr euch noch an die Hintersee-Geschichte unserer Deutschlandtour erinnert, aber auf den lustigsten Wegen findet Kot immer wieder zu Jonas. Diesmal in Form von einem versteckten Menschenkothäufchen, in dem sich Atlas genüsslich wälzte, als Jonas nicht hinsah. Natürlich hatte ich es auch nicht gesehen, da ich die ganze Zeit fotografierte, also hörte ich nur das Fluchen und Schimpfen auf der anderen Seite der Brücke.

Jonas musste Atlas dann im Bach baden und schimpfte vor sich hin, während ich kiechernd ein Foto machte und Atlas unzufrieden grunzte und versuchte weg zu kommen.

Ein wunderbarer Start in den Tag…

Wieder am Auto angekommen machten wir uns auf den Weg zu einem Autoreifengeschäft in Trondheim. Eigentlich hatten wir bei dem Autovermieter Schneeketten gebucht, leider hatte er aber die falsche Größe bekommen und so mussten wir ohne Schneeketten los. Da wir nun aber in den hohen Norden fuhren wollte wir sicher gehen, auf Schnee fahren zu können. Also hatte Jonas bei dem Geschäft angerufen und gefragt ob sie die richtige Größe hätten. Antwort des Verkäufers: “We have all the sizes!” - in einem selbstsicheren Ton, der uns absolut nicht zweifeln ließ…

Dort angekommen, stellte sich heraus, dass der Verkäufer in Deutschland aufgewachsen war und Jonas so auf deutsch erklärte, dass er doch nicht die passenden Schneeketten hatte - soviel dazu! Zusätzlich lies er uns wissen, dass diese tollen “Winterreifen” in norwegischem Schnee nichts bringen würden und wir damit definitv vorsichtig fahren müssten. Toll - und jetzt? Sein Vorschlag waren neue Reifen - natürlich, er ist ja auch Verkäufer - aber das war uns zu teuer und hätte auch viel zu lange gedauert. Also fuhren wir ohne Schneeketten weiter…

Norweger:innen benutzen übrigens garkeine Schneeketten, die sind oft sogar verboten, weil sie die Straßen beschädigen - aber dazu mehr in dem Infopost.

Unsere Strecke war mit bestem Wetter gesegnet. Über weite Feldstrecken, vorbei an idyllischen Seen und das stetige Rauf und Runter in den Bergen genossen wir in vollen Zügen. Wir machten nur einen kleinen Halt bevor wir durch schmale Straßen irgendwann nach über 7 Stunden endlich den Klokkerhagen Elvepark Parkplatz erreichten.

Nach einem kleinen Spaziergang durch den Park, gingen wir zurück zum Bulli und glaubten die ersten Polarlichter entdeckt zu haben…

Um ehrlich zu sein, konnte ich es nicht glauben obwohl einige Spaziergänger:innen innehielten und in den Himmel starrten. Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich habe mir das erste Mal Polarlichter anders vorgestellt… Ich dachte wir würden in einer finsteren Nacht, bei klarem Sternenhimmel die Aurora Borealis tanzen sehen - ohne, dass ich völlig ausgelaugt von der Fahrt wäre. Ohne, dass um uns ein haufen Leute stehen. Ohne, dass ich so übersättigt von Eindrücken nicht mehr aufnahmefähig sein würde. Ich weigerte mich, die Polarlichter als das anzusehen und begab mich in den Wagen um schnell einzuschlafen und am nächsten Tag endlich die Lofoten zu erreichen.


03.11.22
Um 7:00 Uhr waren wir wieder wach und bereit für die vorletzte Etappe, vor unserem AirBnb. Mit Weihnachtsmusik fuhren wir los in den hohen Norden; Polarkreis wir kommen!!

Gegen 10:00 erreichten wir den Polarkreis und legten eine kleine Pause beim Arctic Circle Center ein, um diese wuchtige Natur aufzunehmen.

Karge, rostrote, weiche Wellen umgaben uns. In der Ferne ragten spitze, scharfkantige Berge in den Himmel. Ihre Gipfel weiß gepudert. Noch nie waren wir - oder jemand aus meiner Familie - so weit nördlich. Zwar war das Center geschlossen, und auch sonst gab es kein großes Spektakel, dass einem signalisierte wo man sich nun befand - aber wir konnten es fühlen. Der Adrenalinpegel brodelte fast über. Die Freude so klar wie eine frische Brise in den ersten Wintertagen. Wir haben den Polarkreis erreicht! Die Wahrscheinlichkeit nun Polarlichter zu sehen erhöhte sich maßgeblich und die Angst, alles sei nur ein Traum, löste sich endlich auf. Wir ließen einen Jubelschrei los und fühlten jede Emotion…

Wir schickten noch ein aufgeregtes Video in die WhatsApp Familiengruppe und fuhren mit frischer Energie weiter in den Norden.

Nächster Halt: Bognes!

Je nördlicher wir uns befanden, desto weniger Häuser und “Zivilisation” umgaben uns. Die Berge wurden Steiler, die Natur wilder und um jede Ecke, hinter jeder Brücke ein neuer unbegreiflicher Ausblick. Norwegen ist prächtig, fett gefüttert mit oppulenten und saftigen Naturschauspielen. Wir hielten an einer kleinen Straßenbucht, die es in regelmäßigen Abständen an der E6 gibt, und erlaubten uns einen schnellen Blick hinter die Leitplanke.

Ein wilder, reißender Fluss schnitzte sich seinen Weg durch Felsen, vorbei an kleinen Bauminseln entlang der Straße, bis er irgendwann in den Saltdalsfjord mündete.

Auf der Route zwischen dem Arctic Circle Center und Bognes fotografierte ich so viele Motive, dass ich an dieser Stelle nun lieber schweige und Norwegens Natur für sich selbst sprechen lasse:

Das Panorama war das letzte Bild das ich machte, bevor wir auf die Fähre rollten und nach Lødingen übersetzten.

Um genau 16:15 legte unsere Fähre ab. Eine große Stahlbüchse die neben einigen PKW’s auch LKW’s transportierte. Ein Problem von dem wir bereits vor unserem Urlaub wussten; Auch hier waren Hunde auf Deck nicht erlaubt. Sie müssen im Auto bleiben. Allein, und besuchen oder mal nach dem Rechten sehen ist nicht gestattet. Dafür, dass Norwegen sonst so Naturverbunden ist, sind solche Regeln für mich absolut nicht nachvollziehbar. Vorallem, wenn es nunmal keinen anderen Weg auf die Inseln gibt… Wir schnappten uns Atlas trotzdem, klemmten ihn unter den Arm und eilten auf das Außendeck - da wo niemand war. Niemand sprach uns darauf an, also genossen wir die Aussicht und fuhren langsam die Aufregung des Tages runter. Wir sprachen nicht, unsere Augen und Seelen auf das Wasser und die umrahmenden Berge gerichtet.

Die Sonne ging unter und wir erreichten Lødingen nach ca. 1 Stunde.

Wir fuhren 4km vom Anleger zu einem LKW Rastplatz zwischen einem kleinen Sumpf und dem ruhigen Fjord. Der letzte Abend im Bulli war angebrochen, am nächsten Tag würden wir unser AirBnb erreichen und endlich wieder in einem richtigen Bett schlafen. Ich kochte Ravioli und wir aßen gemütlich, bevor Jonas entschloss doch mal einen Blick in den Himmel zu werfen.

Boom! Direkt über uns tanzte Aurora in ihren zauberhaft grünen Bändern.

Da standen wir, die Köpfe in den Nacken gelegt, mit funkelnden Blicken in der Dunkelheit, während unser Traum sich vor unseren Augen verwirklichte. Ich konnte nicht mehr an mich halten, die Tränen rollten warm meine kalten Wangen hinunter. Ich strahlte mit der Aurora um die Wette und versuchte jede Kurve, jeden Wirbel dieses unglaublichen Wunders in mein Gedächtnis zu brennen…

Nachdem ich fast vergessen hatte, dass ich ohne Jacke in der Kälte stand hastete ich schnell zum Auto, griff alles nötige Fotoequipment und stolperte fast zurück um Aurora festzuhalten. Ich hätte ewig da stehen können - egal ob mir meine Finger abfallen würden - nur um die Polarlichter schlängeln zu sehen. Jonas wurde schon etwas ungeduldig, als ich mich endlich lösen konnte und Aurora genauso schnell verschwand wie sie kam.

Die überquellende Freude bescherte uns einen wunderbaren, ausgelassenen Abend. Die Erschöpfung und die Überreizung waren kurz vergessen und wir konnten es kaum erwarten am Morgen in Nusfjord anzukommen…


04.11.22

Wenn man so nah am Ziel ist, fällt das frühe Aufstehen garnicht schwer, also fuhren wir kurz nach 8 Uhr los in den Süden der Lofoten. Begleitet von einem feurigen Sonnenaufgang und guter Laune.

Nach kurzer Zeit wurde mir schnell klar, dass ich mindestens einen Tag Pause brauchen würde um die Eindrücke zu verarbeiten. Das klingt so übertrieben, aber gerade als Mensch, der die Natur so besonders stark liebt und sich mit ihr verbunden fühlt, kann der Anblick Norwegens schon ganz schön überfordernd sein. Auch Jonas ging es ähnlich, wenn auch deutlich weniger intensiv. Er hatte sogar die Energie einen kleinen Felsen am Rand der Straße zu besteigen. Das einzige Foto auf der 3 stündigen Fahrt das ich machen konnte. Ich lag nämlich wie gelehmt im Beifahrersitz, sprachlos und fast schon lethargisch…

Gegen 12:30 Uhr trafen wir im AirBnb ein und begannen direkt mit dem Auspacken. Ich mache ungern eine Pause, bevor ich nicht alles erledigt habe - anders als Jonas - also entkernte ich den Bulli in Rekordzeit und wir schleppten all unser Gepäck und Proviant in den 1. Stock des kleinen, weißen Steinhauses. Unser Zeug fand schnell seinen Platz und ich machte es uns gemütlich mit Kerzen und Lichterketten. Jonas kochte dieses mal und stieß auf ein unerwartetes Hinderniss.

Dazu muss ich kurz in die Vergangenheit abschweifen; Wir haben uns irgendwann Anfang 2022 einen neuen Pürierstab (ESGE Zauberstab) zugelegt, weil unser alter durchgeknallt war. Dieser tolle Stab hat unterschiedliche Aufsätze zum pürieren, Sahne aufschlagen und sonst so ein Schnickschnack. Ich benutze ausschließlich den Pürieraufsatz, Jonas aber auch gerne mal die anderen… also weiter im Text…

Als ich den Pürierstab in den Bulli packte, achtete ich natürlich nicht auf den Aufsatz… Jonas schlug die Kartoffel”suppe” also fleißig auf, während er sich wunderte, warum die Kartoffel- und Ingwerstückchen nicht endlich klein püriert wurden… Es war eine fluffige Kartoffelpampe, die wohl das eckligste war, was ich seit langem gegessen hatte - es ist so derbe abstoßend auf Ingwer rumzukauen, wie Knorpel-Kotzbröckchen! Einfach widerlich.

Nach dem unbefriedigenden Mahl, erkundeten wir das innere vom Nusfjord - die paar Hütten die da halt so stehen - und machten uns danach, mal ohne Atlas, auf den Weg zu dem 30 Minuten entfernten “nächsten” Supermarkt.

Hauptsächlich brauchten wir ein paar frische Lebensmittel, aber da wir auch totale Fans davon sind, ein Land oder unsere Reiseziele kulinarisch kennenzulernen, wollten wir uns ein wenig umschauen. Die Preise waren unfreundlicher als eine Backpfeife und wir waren derbe froh, dass wir soviele Lebensmittel mitgenommen hatten. In unserem Reisebudget hatten wir Einkäufe mit einbezogen, aber das es so teuer werden würde hat uns doch überrascht. Ich entwickelte schnell eine “bloß-nicht-umrechnen” Mentalität während Jonas wie mit einem Schlaghammer nach jedem Einkauf den Preis rausprustete und mir immer kurz einen kleinen Herzinfarkt bescherte.

An diesem Abend gaben wir für ein paar Konserven, 2 Cider, Chips und ein paar andere Süßigkeiten und diverses Gemüse 149€ aus. Tschüss hart erspartes Geld, ich nuckel dann mal auf ein paar Cornichons rum, um mich wieder besser zu fühlen…

Zurück im AirBnb chillten wir uns auf das Sofa und ratzten bei der Hobbit blitzschnell ein.
Endlich sind wir da - die Lofoten ♥


Dies war der erste Teil unserer Norwegen Reise. Der zweite Teil wird die Zeit auf den Lofoten beinhalten und der dritte Teil unsere wilde Rückreise. Ich freue mich, die tausend Fotos (nicht mal gelogen) mit euch zu teilen!
Danke für’s lesen!

Angi ♥

Zurück
Zurück

Norwegen - Lass mal für immer bleiben

Weiter
Weiter

Kleider machen Leute… Farben auch!