Realisierung der Einsamkeit
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Dienstag frรผh sprรผhte ich vor Motivation. Die lรคngste Wander Strecke lag vor mir. Von St. Andreasberg nach Elend wรผrden es ca. 15 km sein. Ich freute mich darauf einfach nur zu laufen und wieder neues zu sehen. Das Wetter sah vielversprechend aus.
Bevor es los ging genoss ich noch das รผppige Frรผhstรผck in der Pension Jagdhรผtte und plauderte mit Frau Bartels. Ich packte die restlichen Sachen in meinen Kamerarucksack - der mir auf dieser Reise wirklich gute Arbeit geleistet hatte - schnappte Atlas und los ging es.
Google Maps und meine Harz Wanderkarte waren dauerhaft im Gebrauch. Manchmal war die Karte nicht ganz klar, da ein Weg fehlte oder Maps schlug mir einen Weg vor der fรผr Wanderer garnicht vorgesehen war. Der erste Teil der Strecke war ein langer Abstieg auf kleinem grauen Steingranulat. Scharfkantig wie dieses Schotter ist verletzte sich Atlas an seiner rechten Vorderpfote. Ich bemerkte diese Wunde nur leider sehr viel spรคter, als wir bereits angekommen waren. Wรคhrend der ganzen Strecke machte er keinen Mucks, humpelte nicht und zog einfach weiter durch. Er ist wahrlich ein kleiner tapferer Kรคmpfer.
Auf dem Weg hatte ich unglaubliche Momente der Klarheit. Probleme die Zuhause unmรถglich zu lรถsen scheinen, wirkten aufeinmal total logisch lรถsbar. Als hรคtte man mir eine Augenbinde abgenommen, konnte ich aufeinmal alles klar und deutlich sehen. Als wรคre ich aus dem Nebel getreten. Diese Momente gaben mir unendliche Gefรผhle von Ruhe und Gelassenheit. Ich fรผhlte mich weise und als kรถnnte ich mit bedacht vรถllig entspannt alles lรถsen was sich vor mir aufbauen wรผrde. Die Entspannung drang so tief, dass ich selbst den schweren Rucksack auf meinen Schultern nicht mehr spรผrte. Die Natur zeigte mir wie simpel alles sein kann. Wie einfach sich neue Wege auftun, wenn man einfach nur die Ruhe bewahrt und die Augen รถffnet.
Auf unserem Weg kamen wir durch Braunlage, dort machten wir erstmal ausgiebig Pause. Ungefรคhr die Hรคlfte unserer Strecke hatten wir bereits geschafft und das Wetter spielte hervorragend mit. Bestimmt eine Stunde verbrachten wir auf dem Hรผgel der einen tollen Blick aufs Dorf bot. Eine kleine Mittagspause fรผr uns, fรผr mich gabs Sandwiches und eine Banane und Atlas bekam das extra gekaufte hyperallergen Trockenfutter als Snack. Wir halten nicht viel von Trockenfutter, aber fรผr diese Reise war nichts anderes Mรถglich da das Trockenbarf nicht rechtzeitig geliefert wurde. Woran man alles denken muss, wenn man mit Hund unterwegs istโฆ
Als wir aus Braunlage raus wollten war doch tatsรคchlich der geplante Wanderweg auf Grund von Fรคllungsarbeiten gesperrt. Spontan mussten wir also einfach mal einen Umweg von 2km nehmen um auf unsere ursprรผngliche Route zurรผck zu kehren. Erfreut war ich darรผber garnicht, da wir so an Straรen und Wohnungen vorbei mussten statt durch den herrlichen Wald. Als wir in der Nรคhe der Arbeiter waren und die Bรคume auf den Boden schlagen hรถrten und auch spรผren konnten, dachte ich mir, dass es ja doch ganz gut ist da jetzt nicht durch zu laufen.
Der Weg auf dem wir liefen hieร โHarzer Hexen Stiegโ und zog sich durch den kompletten Harz. Bevor ich im Harz ankam, waren mir diese ganzen Hexen suspekt - die Vorstellung, halbnackte Hexen die auf der Spitze des Brockens tanzen kam mir doch etwas schaurig daher. Aber an die kleine grรผne Hexe die รผberall an den Bรคumen befestigt war gewรถhnte ich mich dann sehr schnell und ich freute mich jedes mal als ich sie sah, denn das bedeutete ich bin auf dem richtigen Weg! Und diesen Weg kann ich wirklich nur empfehlen. Der letzte Part unserer Strecke fรผhrte durch einen erneut wunderschรถnen Nadelwald. Der Boden wieder so wunderbar saftig und in der Luft hing der Duft von Baumharz und Tannen. Dort sammelte ich Moos, einen Tannenzweig und einen Tannenzapfen um diese Gerรผche mit nach Hause nehmen zu kรถnnen.
In Elend angekommen suchte ich unsere Pension, dafรผr liefen wir durchs ganze Dorf - und auch wenn das Dorf wirklich winzig ist, so war es doch wahnsinnig anstrengend da man sich doch einfach total auf Ruhe und Erholung gefreut hat. Nachdem ich dann in einem kleinen โAllesmรถglicheโ - Laden nach der Pension fragte, folgte ich der Wegbeschreibung. Die Dame in dem Laden sagte mir, dass ich vermutlich bei dem Besitzer anrufen muss, da dort eigentlich keiner ist. Na das klang doch schonmal vielversprechendโฆ
Ich stand also vor einem alten Haus. Hochparterre und zwei weitere Stockwerke. Die Fassade hatte schon deutlich bessere Zeiten gesehen und das Haus wirkte wie eine verlassene Ruine.
Die Handynummer des Betreibers klebte an der Tรผr, also rief ich dort an. Der Betreiber klang ganz sympathisch, er sagte mir, dass er seine Tochter anrufe und diese mich dann in mein Zimmer bringt. Er erwรคhnte auch, dass ich komplett alleine in der Pension sein wรผrde.
Ich dachte mir erst nichts dabei, immerhin ist es ja eine offizielle Unterkunft und ich bin ja eh gerade gerne alleine, also war das fรผr mich erstmal ok.
Die Tochter kam vorbei und fรผhrte mich umher, anders wie erwartet brachte sie mich zu einem Zimmer im obersten Stockwerk, direkt unter dem Dachboden, das letzte Zimmer im Gang. So langsam fรผhlte ich mich unwohl. Sie gab mir die Schlรผssel und half mir noch das WLAN auf meinem Handy einzustellen - leider erfolglos. Kein Netz. Keine Menschen. Okay.
Als sie gang und ich plรถtzlich in diesem riesen Haus alleine war รผberkam mich ein Schauer. Um nicht zu sehr in meinem schlechten Gefรผhl zu stecken, schaute ich mich nochmal genauer im Haus um. In meinem Zimmer gab es ein kleines Waschbecken, darรผber ein einfacher Spiegel und ein kleines Regal welches mehrere tote Fliegen beherbergte. Der Flur auf meiner Etage knarschte ganz wiederlich als ich dort entlang lief und ein kleines Kindernachtlicht klickte und leuchtete auf - direkt darรผber die Luke zum Dachboden. Die erste Treppe runter gab es eine zwischenebene mit einer Tรผr, dahinter verbag sich eine uralte Toilette. Mit groรem Spรผlkasten und Kette zum spรผlen, alten kaputten Fliesen, einem dreckigen Waschbecken ohne warmen Wasser oder Seife, geschweige denn einem Handtuch, lud einen das nicht zum verweilen ein. Als ich spรผlte ging das Gerรคusch durchs ganze Haus und Atlas - der zu dem Zeitpunkt im Zimmer entspannte - erschrak und rannte schnell zu mirโฆ
Weitere Treppen runter gab es 3 Weitere Zimmer und die gemeinschafts Dusche. Als ich dort die Tรผr รถffnete erschlug mich fast der Blitz. Ein alter abgewrackter Stuhl stand an der Wand, eine alte Duschkabine direkt daneben und ein A4 Zettel mit der Anleitung wie man heiรes Wasser zum Duschen bekommt. Die Fliesen sahen aus wie aus einer verlassenen Krankenstation und zwei durchlebte Waschbecken hingen an der gegenรผberliegenden Wand. Ich wusste, dort wรผrden mich keine 10 Pferde rein kriegen. Die nรคchsten Stufen gab es wieder eine Zwischenebene mit einer Tรผr. Natรผrlich dachte ich, es wรคre eine weitere Toilette. Nein es war ein Raum der bis oben hin voll war mit Kram und Mรผll, als hรคtte jemand schnell aufrรคumen mรผssen, stapelte es sich darinโฆ
Der Aufenthaltsraum war voll mit alten Dekorationsstรผcken die vรถllig eingestaubt waren. Eine alte Hexenpuppe und alte Filzhรผte standen und hingen in den Ecken. Ein Ordner lag auf dem Tisch - โErlebnisse in und um Elendโ. Ich blรคtterte ihn durch um dann festzustellen, dass dort fast nur Zeitungsausschnitte zum Thema Harz drin zu finden waren.
Ein TV stand im Nebenzimmer und ein Telefon im Flur. Selbst die lost Places die ich bisher gesehen habe waren lebendiger als dieses Gebรคude. Unwillkรผrlich dachte ich sofort an den Film โThe Shiningโ und wusste -
dieser Ort ist perfekt um jemanden zu ermorden.
Ich fรผhlte mich so unwohl, dass ich am Telefon mit Jonas erstmal einen kleinen Nervenzusammenbruch erlitt. Wir waren schlussendlich 18km gelaufen und waren einfach total erschรถpft, die Verletzung an Atlas Pfote und dann diese schreckliche Unterkunft. Ich war am Ende. Ich fรผhlte mich so einsam, ich kenne das Gefรผhl - meine Psyche lรคsst mich Einsamkeit oft erleben - aber diese Einsamkeit war anders. Sie war bedrohlich und eiskalt. Sie war erdrรผckend und zermรผrbend.
Jonas und ich entschieden uns sofort eine neue Unterkunft fรผr mich zu finden. Da ich kein Internet hatte konnte ich nichts machen und wartete so unruhig auf Jonas erlรถsende Nachricht. Alles was ich ausgepackt hatte schmiss ich schnell wieder in meinen Rucksack und meldete mich unter einem Vorwand beim Betreiber. Dieser war nicht erreichbar also sprach ich ihm auf den Anrufbeantworter und schmiss den Schlรผssel vom Zimmer in den Briefkasten.
Schnell raus!
An der einzigen Bushaltestelle im Dorf holte mich ein Taxi ab - dass Jonas organisiert hatte- und brachte mich auf direktem Weg nach Schierke in die Ferienwohnung Kah bei der ich herzlich von Herr Kah begrรผรt und rumgefรผhrt wurde. Auch Frau Kah begrรผรte mich und sagte mir wo man im Ort essen und einkaufen kann, zwar war es fรผr beides schon zu spรคt, aber fรผr die nรคchsten Tage nicht unwichtig. Die Ferienwohnung war wunderbar. Sie war sauber, warm und gemรผtlich - ich fรผhlte mich direkt wohl. Wir waren endlich angekommen.
Nachdem ich alles ausgepackt hatte und es mir gemรผtlich machte erhielt ich von Jonas die Nachricht โEssen ist auf dem Weg!โ. In Wernigerode hat er extra eine riesen Pizza fรผr mich bestellt und bereits bezahlt.
Wรคre er nicht gewesen wรคre der Urlaub aufjedenfall anders verlaufen. Ich bin unendlich dankbar und es hat mir gezeigt, dass auch wenn ich โalleineโ Urlaub mache, ich doch nie wirklich alleine bin - und das auch garnicht will.
Mittwoch verbrachten wir in der Ferienwohnung. Die Aufregung vom Vorabend steckte mir noch in den Knochen und Atlas Pfote musste geschont werden. Ich begab mich zum รถrtlichen Supermarkt und kaufte dort fรผr die nรคchsten Tage ein. Schierke geviel mir ausgesprochen gut, das kleine Haus auf dem Hรผgel wรคre direkt mein neues Zuhause gewesen. - Tatsรคchlich habe ich es vorgestern in Sims 3 nachgebaut, weil ich es so toll fand! -
Wir entspannten den ganzen Tag auf dem Sofa, Atlas schlief fast ohne Pause und ich lieร mich vom bedeutungslosen TV Programm berieseln.
Ich war frustriert, wollte ich doch weiter laufen und auf den Brocken. Gleichzeitig erkannte ich wie dringend wir beide diese Pause gebraucht haben. Dieser Tag lehrte mir, dass man abundzu eine Pause einlegen muss auf seinem Weg um wieder mit voller Energie und einem klaren Geist weitergehen zu kรถnnen. Der Tag lehrte mich auch, dass es ok ist emotional zu sein, zu weinen und zu verarbeiten was man erlebt hat und das alles im eigenen Tempo.
Erholt und wieder vollends motiviert startete ich in den Donnerstag mit einem guten Frรผhstรผck und meiner Periode. Unpassender gehtโs wohl nicht oder?! Ich zweifelte echt an meinem Kรถrper und fragte mich, was das nun wieder fรผr eine Prรผfung sei der ich mich stellen mรผsste. Die ersten 2 Tage sind fรผr mich immer die schlimmsten. Wie eine Kreissรคge rotiert es in meinem Unterleib und ich bin mir sicher, so fรผhlt es sich an bei lebendigem Leibe ausgeweidet zu werden. Toll - dachte ich mir - wir machen das trotzdem! Schnell beim Supermarkt Tampons besorgt - an mein Menstruationstรคsschen habe ich nรคmlich beim Packen nicht gedacht - und auf gings zum Brocken!
Der Weg der uns von Maps vorgeschlagen wurde und auch in der Wanderkarte markiert war, war ein reiner Tourismus Zug. Soviele Menschen habe ich insgesamt in den letzten Tagen nicht gesehen und es war mehr als unentspannt entweder vor sich 12 Leute zu haben die einen drosselten oder hinter sich 8 Menschen zu haben deren Hund total fixiert auf Atlas war und uns fรถrmlich trieben. Dazu kam noch, dass der Weg wahnsinnig Steinig war. Und ich meine nicht nur kleine Steine die einen etwas unstabil stehen lassen - nein ich meine groรe Findlinge dicht an einander รผber die man klettern musste um voran zu kommen. Das ging bestimmt 2-3 km so. Das war echt kein Spaร und ich hab geschwitzt wie ein Esel.
Als wir an einer normalen Straรe ankamen realisierte ich den anderen Weg den wir hรคtten nehmen kรถnnen.
Nur 600m mehr wรคren es gewesen und 800 Findlinge wenigerโฆ
Ich musste mich erstmal von meinem Pullover befreien der bis auf die Kapuze komplett nass geschwitzt war. Atlas war auch schon vรถllig am Ende, immerhin musste er diese ganzen Steine, die oft sehr viel grรถรer waren als er, auch erklimmen.
Die letzten 500m waren dann ein Kinderspiel im Vergleich zum anderen Weg und oben angekommen suchten wir uns ganz schnell einen Platz an dem wir verweilen konnten. Der ganze Tourismus da oben interessierte mich null. Ein Hotel, ein kleines Restaurant, ein Bahnhof und eine Wetterstation - alles davon empfand ich einfach nur wahnsinnig nervig und unschรถn. Wie herrlich wรคre es gewesen wenn der Brocken einfach nur ein Berg gewesen wรคre ohne diese ganzen von Menschen erschaffenen Gebรคude. So ist es aber leider nicht gewesen.
Wir verbrachten bestimmt 2 Stunden auf dem Brocken, hauptsรคchlich weil ich endlich wieder ein 4G Netz hatte und erstmal mit jedem bei WhatsApp chatten konnte - die Menschen um mich rum nicht immer direkt รผber meine Erlebnisse in Kenntnisse zu setzen fehlte mir doch sehr extrem und machte mich regelrecht unglรผcklich.
Zwei junge Mรคnner machten gegenseitig von sich Bilder auf einer Steinformation, ich hatte sofort ein Bild im Kopf und ging einfach auf die Beiden zu und fragte ob ich von beiden gemeinsam ein Bild machen soll und im Gegenzug sie eins von mir und Atlas auf den Steinen machen wรผrden. Gesagt getan - ich wies sie auf dem Stein an, wie sie sich am besten positionieren sollten und erklรคrte danach kurz wie ich mir mein Bild vorstelle. Es kamen wundervolle Bilder dabei heraus und ich freute mich riesig die Beiden angesprochen zu haben!
Danach schaute ich mich nochmal รผberall um und machte mich wieder auf den Weg nach unten als eine junge Frau auf mich zu kam und mich ganz leise fragte ob ich zufรคllig einen Tampon hรคtte! Ich musste lachen und erklรคrte ihr, dass ich auch total davon รผberrascht wurde und daher eine ganze Packung mit mir rumschleppe. Ich gab ihr ein paar und freute mich jemanden helfen zu kรถnnen.
Der Weg runter war so so so viel einfacher als rauf, wir sind einfach diese elendig lange Straรe runter gegangen und liefen noch durch ein paar Wรคlder. Und schon wieder waren die Wege, die am wenigsten bewandert wurden, die aller schรถnsten.
Atlas war irgendwann so geschafft und seine Pfote machte wieder Probleme, also lieร ich mir was einfallen. Ich steckte das untere Stรผck meiner Jacke unter den Hรผftgurt meines Rucksacks und verschloss auf dem unteren Rรผcken den Reiรverschluss. Die รrmel zog ich รผber den Brustgurt und durch die Trรคger - eine kleine Wanne bildete sich vor meinem Oberkรถrper. In diese setzte ich Atlas und knotete die รrmel meiner Jacke hinter seinem Rรผcken zusammen. Fertig war die Tragetasche. Ich trug ihn die letzten 3 km zurรผck in die Ferienwohnung. Ich wรผrde lรผgen, wenn ich sagen wรผrde es war leicht ihn zu tragen, dass war es nรคmlich absolut nicht. 12,5kg so vor der Brust zu haben und dann noch einen mindest 5kg schweren Rucksack auf dem Rรผcken war wirklich ermรผdend, aber ich habs geschafft - fรผr diesen Hund wรผrde ich alles tun!
Abends in der Ferienwohnung packte ich alles zusammen und kochte mir eine Art Champignon Omlette. Mir wurde bewusst, dass es morgen wieder nach Hause ging. Ich freute mich irgendwie darauf, vorallem Jonas wieder zu sehen und wieder saubere Kleidung zu tragen. Aber da war noch ein anderes Gefรผhl. Es ist schwer in Worte zu fassen, aber ich fรผhlte mich als wรผrde ich zurรผck in einen Kรคfig steigen mรผssen. Die Probleme die ich in Hamburg zurรผck gelassen habe wieder รผberstreife und zurรผck in mein altes schlechtes Ich zurรผck krieche.
Es machte mir Angst. Ich wollte diese Seite nicht wieder sehen, ich wollte sie zurรผck lassen und ihr nie wieder begegnen. Mit einem unguten Gefรผhl legte ich mich schlafen und wurde von Albtrรคumen immer wieder geweckt.
Nach einer unruhigen Nacht startete der Morgen chaotisch mit einem Feueralarm und einem schlecht geplantem Frรผhstรผck. Ich bezahlte die Ferienwohnung und erhielt noch ein paar Tipps von Herr Kah, danach ging es los zum Bus Richtung Elbingerode.
Heutiges Ziel war der Blaue See hinter Elbingerode, รผber Pinterest habe ich diese Empfehlung gefunden und es wurde ein โCanada feeling in Deutschlandโ versprochen. In Elbingerode besorgte ich Verbandszeug fรผr Atlas Pfote, beim Abstieg vom Brocken ist die Wunde wieder etwas schlimmer geworden. Leider verpassten wir den Bus der in die Richtung vom See fuhr, also liefen wir ein Stรผck bis zur nรคchsten Haltestelle - es gibt fรผr mich nichts Schlimmeres als an einer Haltestelle fรผr 40 Minuten zu warten und nicht wenigstens zur Nรคchsten zu gehen!
Der Busfahrer empfiehl mir die nรคchst gelegene Haltestelle am See und lieร mich dort raus. Die Wegbeschreibung von ihm war aber nicht sehr schlรผssig also lief ich erstmal umher und wusste nicht wolang. Meine Wanderkarte hatte diesen Bereich schon garnicht mehr eingezeichnet und Maps ging nicht. Ich war schon kurz vorm Aufgeben als aus einem kleinen Haus direkt an der Straรe ein alter Mann mit einem bis รผber die Brust gewachsenen grauen Bart und langen grauen Haaren aus dem Fenster lehnte und mich fragte ob er helfen kann. Er beschrieb mir den genauen Weg und wรผnschte mir noch einen schรถnen Tag. Tatsรคchlich fand ich anhand seiner Beschreibung den See und warโฆ total enttรคuscht.
Der โBlaue Seeโ war wohl eher Grรผn, klein und sah aus wie der Lokale Partyort fรผr Teenager. Eigentlich hatte ich geplant dort lรคnger zu bleiben, aber so wie es dort aussah blieben wir nur 40 min bevor wir wieder zurรผck zur Bushaltestelle gingen.
Wir fuhren direkt nach Wernigerode wo auch spรคter am Abend unser Zug zurรผck fahren wรผrde, leider waren wir 5 Stunden zu frรผh da und konnten nichts wirklich machen, da Atlas Pfote Ruhe brauchte. Das Einzige was wir noch geschafft haben, war zum nรคchsten McDonaldโs zu gehen und dort ganz langsam zu essen und zu entspannen.
Meine Laune war im Keller. Der See war doof, Atlas Pfote war verletzt, wir hatten noch 4 Stunden zu warten und dazu kam noch die Angst Zuhause wieder in den selben Problemen zu stecken wie vorher. Deprimiert wie ich war fuhren wir irgendwann mit einem Bus wieder zum Hauptbahnhof in Wernigerode und warteten auf unseren Zug.
Vรถllig durchgefrohren kam der Zug endlich. Innen war es schรถn warm, zwar war Atlas die ganze Zeit in eine Decke gewickelt, das hatte aber leider nicht soviel genutzt - im Zug war das dann anders. Die Kontrolleurin fragte mich ob ich denn auch ein Ticket fรผr Atlas hรคtte und das ich ganz sicher eins brรคuchte in den anderen Zรผgen. Ich sagte ihr ich habe keins und das es auf dem Hinweg weder Probleme noch Hinweise darauf gab. Sie zickte weiter vor sich hin und meinte er mรผsse einen Maulkorb tragen und in einer Tasche sein - allerdings nicht in diesem Zug. Ich fragte mich wieso die Dame darauf so rum hackte immerhin hรคtte sie ihn vermutlich nichtmal gesehen hรคtte ich ihn nicht direkt an ihr vorbei getragenโฆ
Die ganze restliche Fahrt hatten wir absolut keine Probleme und keiner hat mich auf Atlas angesprochen, wieso auch? Er ist klein, kompakt und lag die ganze Zeit schlafend unter meinem Sitz. Also vรถllig umsonst das Dramaโฆ
In Braunschweig kam unser Zug 10 Minuten spรคter als geplant und ich vermutete schon ein erneutes Drama. Aber zum Glรผck wartete der Anschlusszug in Hannover auf die Fahrgรคste aus diesem Zug und darรผber war ich mehr als glรผcklich. Im ICE von Hannover nach Hause saร ich in einem Abteil mit geschlossenem Bereich, ich fรผhlte mich wie im Hogwarts Express. In dieser Kabine saร Daniel, Azubi aus Schleswig und der hat mir wirklich den Rest meiner Reise versรผรt! Wir haben รผber alles mรถgliche gequatscht und unsere Kontaktdaten ausgetauscht, denn das nรคchste Mal wenn er nach Hamburg kommt zeige ich ihm den Kiez und er kann mit uns feiern!
Vielen Dank dafรผr - ich glaube der Abschnitt der Rรผckfahrt hat wirklich meine Laune extrem ins positive beeinflusst.
Und dann - endlich Zuhause!
Aus diesem Abenteuer habe ich gelernt, dass ich was ich mir vornehme erreiche aber nur wenn ich auch Umwege akzeptieren und steinige Wege รผberwinden kann.
Ich habe gelernt, dass Pausen unverzichtbar sind und ein schwerer Aufstieg immer zu einem lohnenswerten Ausblick fรผhrt.
Das ich Zeit fรผr mich brauche aber die Zeit mit meinem Partner unbezahlbar ist.
Das ich nicht an einem Ort bleiben mรถchte und ein freies Leben fรผhren will.
Die ersten Tage danach sind nicht einfach. Wie ich erwartet hatte, haben sich alt bekannte Dรคmonen eingeschlichen und eine dunkle Nebeldecke รผber mich gezogen. Ich muss nun meinen Weg finden, meinen Berg den ich erklimmen will und dabei darf ich nicht vergessen wie frei ich sein kann wenn ich das alles hinter mir lasse.
Danke an Alle, die dies gelesen haben!
Angi